Erkenntnis als Fluch und Segen
Wie viel Entscheidungsfreiheit können wir bewältigen?

Das Max-Planck-Forum in Berlin diskutierte über neue Erkenntnisse als Fluch und Segen

26.03.2019

Erfolge in der Grundlagenforschung sind oft kaum plan- und vorhersehbar, denn ihr geht es um den Gewinn von ganz neuen Erkenntnissen: ein Prozess, der auch für die Forschenden oft überraschend verläuft und unerwartete Ergebnisse bringt. Deshalb braucht diese Forschung besonders viel Autonomie und den Vertrauensvorschuss der Öffentlichkeit. Da Grundlagenwissen aber nicht selten zu Schlüsseltechnologien führen kann, ist dieses von besonderes hohem Wert und nachhaltigem Nutzen. Diese Freiheit fordert von Forschern aber auch ein hohes Maß an Selbstkontrolle, denn viele ihrer Themen werfen ethische Fragen auf. Die Max-Planck-Gesellschaft als führende deutsche Organisation für Grundlagenforschung widmet ihren Beitrag zur Kampagne „Freiheit ist unser System“ deshalb der Verantwortung der Wissenschaft. An sechs Abenden fokussiert das Max-Planck-Forum in Berlin und München Forschungsfelder, die Wissenschaft und Gesellschaft vor besondere Herausforderungen stellen. Diskutiert wird unter anderem, was die Humangenomforschung im Zeitalter von Crispr-Cas9 darf und welchen Regelungsbedarf es für den Ausbau der Künstlichen Intelligenz gibt.

Die Reihe startete am 26.3. mit einem Thema, das viele Menschen betrifft: Welche Entscheidungsverantwortung bringen neue medizinische Behandlungsmethoden mit sich? Die Teilnehmer auf dem Podium waren sich einige, dass die Entscheidungsautonomie von Patienten weiter gestärkt werden müsse. Ein Problem dabei sei, so Gerd Gigerenzer (Max-Planck-Institut für Bildungsforschung), dass der Zugang zu verlässlichen Informationen für die Bürgerinnen oft nicht einfach sei. Auch viele Ärzte täten sich schwer, wissenschaftliche Daten richtig zu interpretieren, so dass die Anwendung von Forschungswissen in der medizinischen Praxis oft nicht funktioniere. Die Medizinethikerin Claudia Wiesemann von der Universität Göttingen betonte dagegen, dass sich Ärzte entlastet fühlten, wenn immer mehr Patienten bereit seien, eigene Entscheidung zu treffen. „Ein Problem ist allerdings das Haftungsrecht, nach dem Ärzte auch persönlich belangt werden können.“ Wie schwierig Entscheidungen im Einzelfall zu treffen sind und wie viele Faktoren einfließen, betonte Ute Goerling, die an der Charité Berlin den Bereich Psychoonkologie leitet. „Das Umfeld spielt eine große Rolle, doch nicht immer kann die Familie helfen.“ Die psychologische Unterstützung, z.B. von Krebspatienten, ist deshalb ein wichtiger Service, der sich in den Kliniken in den letzten zehn Jahren etabliert hat. Neues Wissen birgt viele Chancen, bürdet den Menschen aber oft ein hohes Maß von Verantwortung auf.

Die Allianz der Wissenschafts-Organisationen